Sonntag, 30. Oktober 2005

Wahlkampf

An diesem Wochenende habe ich mit meinem Wahlkampfengagement bei der kommunistischen Partei für Juntos Podemos mas begonnen. Gestern haben wir nur Materialien in den Nachbarort gebracht und andere von dort abgeholt, heute morgen haben wir von elf bis eins auf dem Markt Flyer verteilt (die fast alle genommen haben), heute Nachmittag von vier bis sieben eine Mauer bemalt.
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Letzteres ist eine zumindest in Chile und Peru sehr geläufige Form der Wahlwerbung, wobei hier zu den gerade anstehenden Wahlen in der Regel der name eines regionalen Parlaments- und des nationalen Präsidentschaftskandidaten geschrieben wird. Während die "murallas" der beiden großen Blöcke (die rechte Alianza und die Mitte-Links-Koalition "Concertacion") in recht großer Zahl von bezahlten Kräften im Akkord gefertigt werden (und entsprechend einfach aussehen), grenzen die der kommunistischen Partei schon an Kunstwerke.

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Obwohl natürlich alle beteuern, dass sie auf die Umfragen nichts geben, lösen die steigenden Werte unseres Kandidaten eine gewisse Euphorie aus - der lokale Parteisekretär überlegte gestern schon, was wohl wäre, wenn wir fünfzehn Prozent holen und kam zu dem Schluss, dass man dann bei den nächsten Wahlen den Sieg anstreben müsse.

Samstag, 29. Oktober 2005

Pensamiento y Accion por el Socialismo

war der Titel des Seminars der Rosa-Luxemburg-Stiftung und einer argentinischen Partnerorganisation, an dem ich letze Woche in Buenos Aires teilgenommen habe.

Ca. 20 Intellektuelle aus Lateinamerika, Deutschland und Frankreich diskutierten drei Tage lang über Globalisierung, Imperialismus und demokratische Alternativen, wobei einige der ReferentInnen interessante Verweise auf die Ideen Rosa Luxemburgs benutzten.

Überrascht hat mich allerdings noch einmal. wie diese Runde von zum Teil dogmatischen Marxisten jeglichen Gedanken an eventuelle Ansichten von Marx, Engels oder auch Rosa Luxemburg zum Thema Nation einfach ignoriert - die widersprechen den Klassikern nicht einmal. sondern scheinen nicht zu wissen, dass Marx einmal geschrieben hat "Der Proletarier kennt kein Vaterland".

Ansonsten haben sie alle ziemlich interessante Informationen über die politische Lage in ihren jeweiligen Ländern gegeben: In Uruguay hat der Frente Amplio bisher keine Änderung der neoliberalen Politik im Bereich Freihandel und Liberalisierung der Finanzmärkte vollzogen, wohl aber einige Gesetze zugunsten der starken Gewerkschaften verändert. Diese machem ebenso wie die in der Regierung vertretene kommunistische Partei Druck für einen Richtungswechsel, so dass die Lage noch nicht so hoffnungslos verloren ist wie in Brasilien:

Dort regieren Lula und der PT schon seit Jahren in gradliniger Fortführung der neoliberalen Politik und haben noch nicht einmal die Landreform geschafft. Die Partei, die sich mindestens fünfzehn jahre auf die Regierungsübernahme vorbereitet hat, wird neben der politischen Enttäuschung jetzt auch noch von einem schweren Korruptionsskandal erschüttert - was nach der Meinung des brasilianischen Referenten eine Chance ist, den nötigen Neuformierungsprozess der Linken zu beschleunigen.

In Bolivien, das am Rande von Spaltung und Bürgerkrieg steht, macht sich Angesichts der guten Aussichten auf einen Wahlsieg des MAS (Movimiento al Socialismo) bei den sozialen Bewegungen keine völlige Euphorie breit, da sie diesen beschuldigen, die zentralen Forderungen nach einer verstaatlichung der Gasvorkommen und der Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung bereits aufgegeben zu haben. Außerdem stand heute noch in der Zeitung, dass die Wahlen in Bolivien nicht wie geplant stattfinden werden, da sich die Regionen nicht über die Anzahl der ihnen zustehenden Sitze einigen können. Der MAS sieht darin ein bewusstes Manöver, um seinen Wahlsieg zu verhindern.

In Argentinien sind die großen Bewegungen aus der Zeit der Wirtschaftskrise zusammengebrochen, letzten Sonntag hat die Regierung die Wahlen deutlich gewonnen, schärfster Konkurrent war der rechte Flügel der Regierungspartei, der mit eigenen Listen antrat.

Um zum positiven zu kommen: Der revolutionäre Prozess in Venezuela scheint weiter zu gehen, Cuba ist noch nicht von US-Truppen besetzt und unser Präsidentschaftskandidat Thomas Hirsch ist in einer Umfrage von zwei (Juni) auf sieben Prozent (Oktober) gestiegen. Die Oktoberumfrage ist noch vor der TV-Debatte erstellt worden, die ihm große Öffentlichkeit gebracht hat.

Mittwoch, 19. Oktober 2005

Präsidentschaftsdebatte

Heute abend wurde die erste Frensehdebatte der chilenischen Präsdentschaftskandidaten gesendet. Die Kandidatin der regierenden Mitte-Links-Koalition "Concertacion", Michelle Bachelet, war relativ schwach und farblos, inhaltlich hat sie eine moderat neoliberale Linie vertreten. Die beiden Kandidaten der rechten, Joaquin Lavin (Union democrata Independiente, UDI) und Sebastian Pinera (Renovacion Nacional, RN) haben zum einen einen härteren Kurs gegen Straftäter gefordert (das übliche halt) und dann immer wieder versucht, sich als Vertreter der Armen und der Mittelklasse aufzuspielen.
Dies hat dann den Kandidaten der Linken, Thomas Hirsch (Juntos Podemos mas) dazu gebracht, darauf hinzuweisen, dass die Rechte noch mehr als die Concertacion für ein Wirtschaftsmodell steht, das Armut und Ausgrenzung hervorbringt. Zur Frage nach der Kriminalität ist er auf soziale Ursachen eingegangen, originell seine Antwort zur Frage: Wie werden Sie das Problem der sozialen Ungleichheit loesen? "Im derzeitigen Wirtschaftsmodell kann man dieses Problem nicht loesen".
Bei den Fragen zu internationalen Beziehungen hat er Bush als Terroristen bezeichnet, Venezuelas Initiativen für die Region gelobt und sich für mehr Kooperation in Lateinamerika sowie gegen eine Freihandelszone mit den USA ausgesprochen.
Insgesamt auf jeden Fall ein gelungener Auftritt, mal sehen, ob die Umfrageinstitute jetzt zugeben, dass er mehr als zwei Prozent der Stimmen bekommen wird (bei den Kommunalwahlen vor wenigen Jahren lag die linke in Umfragen ähnlich und hat dann zehn Prozent geholt).

In der 250 haben wir heute mit den Kindern kleine Papierboote gebastelt, die wir dann im Fluss schwimmen lassen wollten. Allerdings haben die Eltern ihren Kindern nicht erlaubt, mit uns vom Gelände des Gemeindezentrums wegzugehen. Der Weg betrug etwa 200 bis 300 m, das Flussufer ist flach, der Fluss hat nicht viel Stroemung und wir hätten zu zweit auf fünf Kinder aufgepasst (heute waren so wenige da), die ausserdem zu den bravsten dort gehoeren. Ich frage mich echt, wie diese Eltern ertragen, das ihre Kinder tagsueber zur Schule gehen. Andererseits sind diese Kinder wahrscheinlich in der 250 die, denen es am besten geht - bei anderen ist es den Eltern wahrscheinlich einfach egal. was sie machen.

Bitte nehmt mal an der Umfrage tei, damit ich weiß, wer diese Seite ueberhaupt liest!
LeserInnenstatistik ;-)
Welcher Gruppe würdest du dich zuordnen?

Freiherr-vom-Stein-Gymnasium
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  Resultate

felixpithan, 22:25h.

Donnerstag, 13. Oktober 2005

Bergtour

Am letzten Wochenende stand nun eine grössere Bergtour auf dem Plan: Unser Ziel war der Gipfel der "Gloria", fast 4500 m hoch. Um es vorweg zu nehmen: So weit bin ich nicht gekommen.

Aber erst einmal der Reihe nach: Freitagabend habe ich noch schnell eine Gaskartusche, Batterien für die Taschenlampe und Verpflegung gekauft.

Als ich dann Samstagmorgen pünktlich um acht Uhr auf der Plaza der armas ankam. merkte ich beim Einpacken des unterwegs gekauften Brotes, dass ich meine Isomatte vergessen hatte. So rannte ich noch mal schnell zurück und wieder zur plaza, wo wir dann mit einem gemieteten Kleinbus losfuhren.

Auf der Strasse nach Argentinien auf ca. 2000 m Höhe stiegen wir aus, nahmen Eispickel und Steigeisen mit uns wanderten los. Dazu mussten wir uns noch schnell mit dem Leiter einer Baustelle absprechen, der im gleichen Tal gerade Sprengungen durchführen liess.

Wir kamen unbeschadet an der Baustelle vorbei und erreichten gegen zwei Uhr die Schneegrenze, der Schnee war allerdings recht weich, so dass man problemlos darin laufen konnte. So stiegen wir bis ca. halb sechs auf etwa 3000 m auf, wo wir im Schnee unser Basislager aufbauten. Dazu scharrten wir mit den Eispickeln etwas Schnee beiseite, um einen flachen Platz zu schaffen.

unser Basislager auf 300m

Unser Abendessen bestand aus Suppe, die wir in geschmolzenem Schnee kochten. In der Nacht stellte ich fest, dass die von der chilenischen Armee geliehenen Zelte nicht nur für drei Personen ziemlich eng, sondern für mich auch einfach zu kurz waren.

Als wir am náchsten Morgen aufbrachen, machte ich vor Müdigkeit und Kälte einen entscheidenden Fehler: ich vergass, mich einzucremen - was man in dieser Höhe bei geschlossener Schneedecke und strahlendem Sonnenschein bitter bereut.

Von den beiden mir geliehenen Steigeisen passte leider eins nicht auf meine Bergstiefel, so dass ich nur mit einem Eispickel ausgerüstet losging. Da mein Zeltmitbewohner Mario und ich als letzte aufbrachen, hatten die anderen allerdings schon gute Spuren in die vereisten Hänge getreten, auf denen wir in den ersten Stunden gut voran kamen. Schon auf dem ersten Steilstück kamen uns zwei der sechs anderen Gipfelstürmer entgegen, die aufgeben mussten.

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Wir stiegen bis kurz vor eins ganz gut auf und wurden mit einer immer besseren Sicht auf die Anden um uns belohnt. Dann allerdings begannen Höhe, Sonneneinstrahlung, Anstrengung und Hunger mir zu schaffen zu machen. Als Mario nach einer kurzen Pause auf ca. 4.000 m Höhe vorschlug, einige hundert Meter weiter Mittagspause zu machen, und ich nicht einmal mehr diesen Ort erreichte, sah ich ein, dass ich aufgeben musste.

Mario ging zum Gipfel weiter, obwohl auch ihm vor Höhenkrankheit der Kopf dröhnte. Ich ruhte mich erst eine halbe Stunde aus und stieg dann langsam ab, wobei es mir bald so weit besser ging, dass ich zumindest etwas essen konnte. Nach einer viertelstunde erreichte ich eine weiteren Rastplatz, an dem die vor uns gestarteten Bergsteiger einen Teil ihres Gepäcks zurückgelassen hatten. Dort ass ich zu Mittag, wobei die anderen eintrafen, die bereits vom Gipfel abstiegen.

Sie waren froh, dass ich im Gegensatz zu ihnen noch Wasser hatte und stiegen dann mit mir weiter ab. Wir erreichten das Basislager nur kurz bevor es im Schatten der Berge wieder eiskalt wurde, schmolzen Wasser, machten Abendessen und warteten auf die letzten Bergsteiger.

In der Nacht konnte ich wegen meines höllisch brennenden Gesichts nur schlecht schlafen, aufgrund der Erschöpfung aber immerhin mehr als am Tag davor.

Am Montag stiegen wir dann wieder ab und erreichten froh das Ende des Schneefelds, wo wir aus einem Wasserlauf wieder genug zu trinken hatten.

Dienstag, 4. Oktober 2005

Santiago und die Berge

Mein Wochenende war ziemlich ereignisreich: Am Samstag bin ich mit zwei anderen Zivis nach Santiago gefahren, wo wir den Wahlkampfauftakt des linken Präsidentschaftskandidaten leider knapp verpasst haben (es war aber ja nun auch wirklich nicht damit zu rechnen, dass eine linke Veranstaltung, dann auch noch in Chile, pünktlich stattfindet).

Dann waren wir noch im Museum für präkolumbianische Kunst, wo ich mit meinem seit zehn Monaten abgelaufenen internationalen Studentenausweis den Eintritt von 2.000 Pesos (ca. drei Euro) sparen konnte. Meine weiteren Programmvorschläge (der Friedhof von Santiago mit den Grabmälern Salvador Allendes und Pablo Nerudas und das Haus Nerudas) waren leider nicht mehrheitsfähig, so dass wir nur noch das Künstler- und Kneipenviertel ("Quartier latin von Santiago") besichtigten und ein wenig durch die Stadt liefen.

Abends kamen wir gegen neun Uhr wieder in San Felipe an und fuhren bald weiter in den Nachbarort Los Andes, wo uns die dortigen Freiwilligen eingeladen hatten. Als wir uns dann um zwei Uhr entschlossen, mal ein Taxi für die Rückfahrt zu rufen, brauchte dieses leider eine Stunde, bis es überhaupt da war. Ich kam also gegen viertel vor vier zu Hause an, schlief zwei Stunden und stand dann um sechs wieder auf, um auf eine Bergtour zu gehen.

Club Andino im Nebel
In den ersten zwei Stunden stiegen wir von San Felipe (650 m) auf einen etwas über 1500 m hohen Berg, anschliessend gingen wir über den Grat drei Stunden etwas bergab. Nach einer kurzen Mittagspause nahmen wir dann den letzten Berg in Angriff, der etwas über 2.000 m hoch ist. Dort kamen wir um vier Uhr an, um dann durch ein kleines Tal wieder abzustiegen. Dabei hatten wir, wie den grössten Teil des Tages, keinen Weg, sondern liefen nach grober Orientierung querfeldein. Dies wurde noch etwas erschwert, weil wir uns fast die ganze Zeit in den Wolken befanden und etwa zehn bis zwanzig Meter weit sehen konnten. Immerhin war es dadurch nicht zu heiss.

Alex und ich auf dem letzten Gipfel

Bevor wir dann nach etwa dreizehn Stunden Weg zu einer Bushaltestelle kamen, mussten wir noch eine recht neue Reichensiedlung durchqueren. So schicke Häuser mit Swimming-pools und teuren Autos sieht man auch in Königshardt nicht oft... Während zu den Bergen nicht einmal ein Zaun gezogen war, wird die Siedlung nach vorne mit einem Tor in einer etwa fünf Meter hohen Mauer abgegrenzt. Der Wachmann notierte mit wichtiger Pose unsere Namen und Ausweisnummern. Wenn wir dort kriminelle Pläne gehabt hätten, wären wir wohl gegangen wie gekommen: unbemerkt durch die Berge - aber er muss ja die Illusion absoluter Sicherheit für die Bewohner aufrecht erhalten.

Damit habe ich jetzt mal die andere Seite der chilenischen Zustände gesehen, den enormen Reichtum, der sich aus der Armut ergibt, die zB in der 250 herrscht. Eine ganz gute Vorbereitung, um heute Abend zu meinem ersten Treffen bei der kommunistischen Partei zu gehen...

Donnerstag, 29. September 2005

erst zwei Wochen

...bin ich jetzt hier in Chile und habe das Gefühl, schon so viel gesehen und erlebt zu haben, dass ich lieber Bücher als weblog-Einträge darüber schreiben sollte.

Wir haben inzwischen etwas mehr von der 250 gesehen, bis hin zu einigen Bretterhütten in der Nähe des Flusses, in denen Menschen ohne sanitäre Einrichtungen oder Elektrizität leben. Wir waren jetzt jeden Tag mit zwei oder drei Freiwilligen dort und es wird immer schwieriger, abends wieder zu gehen, weil die Kinder uns nicht weglassen wollen und uns mindestens bis zum Ende des Stadtviertels, wenn nicht noch weiter, begleiten wollen.

Freitags bereiten dort Jugendliche aus dem Viertel Aktivitäten mit den Kindern vor, letzte Woche haben wir ihnen beim Backen von Empanadas geholfen. Empanadas sind ein typisch chilenisches Gericht, eine Art Teigtasche mit einer Fúllung aus Fleisch und Gemüse. Das Rezept war so einfach und überzeugend, das wir sie am Dienstag zu Hause direkt noch einmal gemacht haben.

Am Wochenende waren wir mit dem "Club Andino" in den Bergen, haben am Samstagabend unter Sternenhimmel am Lagerfeuer gegrillt und wollten am Sonntag eigentlich früh auf einen Berg gehen, was angesichts der langen Feier aber abgesagt wurde. Stattdessen standen einige der Clubmitglieder am Sonntag früh auf und spannten ein Seil ca. 30 m weit über einen Fluss. Daran hakten wir uns dann mit einem Karabinerhaken und einem um Húfte und Beine gebundenen Seil ein und zogen uns auf die andere Seite.

Die anderen haben davon Fotos gemacht, die ich euch bald mal hochladen werde. (Übrigens kommt ihr jetzt über das Menü auf der linken Seite endlich an ein paar Bilder von unserem Haus)

Dienstag war um Heim "Pablo VI", in dem zwei andere Freiwillige unserer Organisation arbeiten, ein Fussballturnier. Obwohl Nils, der das Turnier organisiert hatte, uns eine halbe Stunde nach dem Treffpunkt mit dem Sportlehrer dorthin gebeten hatte, warteten wir noch eine gute Stunde, bis wir anfangen konnten. Seit diesem Abend gelte ich jetzt als guter Torwart - sicherlich ehrenvoller als grottenschlechter Stürmer, aber dafür habe ich jetzt keine so gute Ausrede mehr, um nicht zu spielen.

Nach nervenzehrenden bürokratischen Prozeduren habe ich jetzt meinen Ausweis als in Chile wohnender Ausländer beantragt, wenn alles gutgeht, bekomme ich ihn in anderthalb Wochen.

Politisch habe ich gewissermassen einen Durchbruch erzielt: Nachdem ich mich Dienstagabend noch darüber freute, endlich auch Wahlaufrufe der Linken (Podemos) auf den Wänden zu finden, habe ich jetzt e-mail und Telefon der Zelle der kommunistischen Partei hier vor Ort - mal sehen, was das in den nächsten Tagen noch gibt.

Dienstag, 20. September 2005

Erster Arbeitstag

Heute wurde es ernst - volles Programm gleich am ersten Arbeitstag der drei neu angekommenen Zivis: Wir mussten in der Casa (Casa Walter Zielke) Brot backen, von der Landwirtschaftsschule Eier holen, den Fussballplatz für morgen reservieren und zwei Stunden im ärmeren Stadtteil doscincuenta (250) ein einem Gemeindezentrum auf Kinder aufpassen.

Nachdem wir die Eier geholt und das Brotbacken begonnen hatten, ging ich mit Matthias, der schon seit zwei Monaten hier ist, zur doscincuenta. In Bolivien und Ägypten habe ich sicherlich schon krassere und vor allem offensichtlichere Armut erlebt, aber man bemerkte schon deutlich den Unterschied zum Stadtzentrum oder unserem Wohnviertel: Die Häuser in der 250 haben keine Vorgärten, die Mauern sind nicht verputzt, die Dächer aus Wellblech, die Menschen sind ärmer gekleidet und ein grosser Teil der Strassen nicht befestigt.

Nachdem wir das Haus aufschliessen liëssen, kamen schnell einige Kinder, meist im Alter von fünf bis zehn Jahren, um dort zu spielen. Jaime, ein junger Mann, der in einem Regierungsprogramm Familienarbeit in diesem Viertel macht und sich nebenbei um das Zentrum kümmert, erzählte uns, dass die Armut in Chile wie eben auch in der 250 zum Grossteil versteckt sei: In den kleinen Häusern lebten oftmals grosse Familien, in den Wintermonaten mit besonders hoher Arbeitslosigkeit gibt es im Gemeindezentrum auch warmes Essen für die Kinder.

Morgen Nachmittag gehen wir noch mal alle dorthin, damit er uns das Viertel zeigen kann und wir unsere Arbeit dort besprechen. Da wir mit unserer Kernaufgabe in der Casa nicht voll beschäftigt sind, können wir dort in der 250 durchaus etwas mehr machen. Die letzte Generation Freiwilliger hat schon versucht, die Jugendlichen der Oberschicht in der deutschen Schule zur Mitarbeit zu bewegen, was aber wohl nicht dauerhaft geklappt hat. Den Versuch wollen wir zumindest nochmal starten...

Montag, 19. September 2005

El dieciocho

Der achtzehnte September ist Chiles Nationalfeiertag, der mit Flaggen an fast allen Häusern und drei Tagen andauernden Festen gefeiert wird - was nicht bedeutet, dass junge Chilenen auch wissen, was man da eigentlich feiert (die Unabhängigkeit von Spanien).

Nebenbei eine kleine Anekdote für alle die, die Berichte über die Unpünktlichkeit der Chilenen bzw. der Lateinamerikaner nicht glauben wollen:

Am Samstag kamen wir etwas später als verabredet am Fussballplatz an, spielten uns aber trotzdem erst mal eine halbe bis eine Stunde warm, bis dann auch Trainer, Mitspieler und Gegner erschienen. Über den genauen Verlauf des Spiels möchte ich hier nichts sagen, meine Karriere als Mittelstürmer endete allerdings nach der ersten Halbzeit...

Abends hatten wir uns für acht Uhr mit einem Bekannten verabredet, um gemeinsam zum Nachbarort Los Andes zu fahren, wo wir dann um halb neun zwei weibliche Freiwillige treffen wollten. Als er dann um neun endlich auftauchte, war er über die erboste Nachfrage eines deutsch-chilenen nach seiner Verspätung so sauer, dass er gleich wieder ging und wir ohne ihn nach Los Andes fuhren, wo die Mädchen natürlich keine Stunde auf dem Plaz gewartet hatten - wir trafen sie dann immerhin auf dem Festgelände, wo in vielen Zelten mit Musik, Tanz, Alokohol und Essen der Nationalfeiertag begangen wurde.

Am Sonntag räumten wir dann unseren Hof auf und grillten abends. Das Gerümpel, das wir zur Entsorgung vor das Haus gestellt hatten, wurde zum grossen Teil von Nachbarn mitgenommen, obwohl dieses in unserem Viertel nicht zu den ärmsten Chilenen gehören (die Reichen wiederum wohnen in einem Villenviertel etwas ausserhalb der Stadt).

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