Machtergreifung nach 513 Jahren Widerstandes
Zwischen zwei- und dreihunderttausend Menschen aus allen Teilen Boliviens und vielen anderen Lândern feierten heute auf der "Plaza de los Heroes" den Amtsantritt von Evo Morales. Gestern fand in der historischen Stätte Tihuanaco eine Zeremonie der Machtübergabe durch die Indigenas statt, bei der von den Mapuches aus dem Süden Chiles bis zu den Navajo aus den USA viele Indigena-Vertreter anderer Länder anwesend waren. Heute morgen fand die offizielle Amtsübergabe im Kongress statt, an die sich dann die grosse Feier auf der Plaza anschloss, die gerade mit einem Feuerwerk beendet wurde.
Evo betonte in seinen Reden gestern und heute, dass mit dem Wahlsieg des MAS am 18. Dezember 513 Jahre des Widerstandes gegen die Ausgrenzung und Marginalisierung der Indigenas beendet würden und mit der Neugründung Boliviens ein neuer Prozess beginne. Konkret soll noch in diesem Jahr eine verfassungsgebende Versammlung gewählt werden, die alle sozialen Sektoren einbinden soll. Gerade gegenüber den bolivianischen Unternehmern zeigte sich Evo auch heute sehr einladend, gestand ihnen ihr Recht auf Eigentum und Produktion zu, verlangte Investitionen und die Schaffung von sicheren und gut bezahlten Arbeitsplätzen. Wahrscheinlich hat er bisher aus taktischen Gründen nichts konkreteres über das zentrale ökonomische Projekt der Regierung, die Verstaatlichung der öl- und Gasvorkommen, erklärt.
Es ist aber damit zu rechnen, dass die starken und durchaus autonomen sozialen Bewegungen seine Regierung in dieser Frage beobachten und gegebenenfalls unter Druck setzen werden - worum er sie in seinen Reden ausdrücklich bat. Zusammen mit der Erstellung einer neuen Verfassung gibt das meines Erachtens durchaus Anlass zur Hoffnung, dass sich in Bolivien ein Prozess der tiefgreifenden Veränderung der sozialen Verhältnisse in Gang gesetzt hat.
Auf internationaler Ebene hat Evo Morales jedenfalls mit seiner deutlichen Solidarität mit Cuba und Venezuela Zeichen gesetzt. Wie bei der lateinamerikanischen Linken durchaus ûblich, waren seine und andere Reden von einem Vaterlands- und Patriotismusdiskurs geprägt, den in Deutschland nicht einmal der rechte Flügel der CSU öffentlich äussern würde. Angesichts der historischen Entwicklung sicherlich verständlich, aber in dieser Frage halte ich es dann doch lieber mit Marx: "der Proletarier kennt kein Vaterland".
Evo bat während seiner Rede eine Indigena-Vertreterin aus Ecuador ans Mikrofon, da ansonsten nur Männer gesprochen hätten. Sicher noch nicht die Lösung, aber immerhin ein Problembewusstsein in Sachen Patriarchat.
Auch der lateinamerikanische Schriftsteller Eduardo Galdeano hielt eine Rede, in der er erklärte, der Hauptfeind der progressiven Bewegungen sei die Anst zu leben, zu sein und zu kämpfen und die Herrschaft dieser Angst sei jetzt in Bolivien beendet.
Persönlich konnte ich diesen historischen Moment nicht ganz so geniessen, wie ich mir das gewünscht hätte - gestern abend lag ich mit Fieber und Übelkeit im Bett, war aber zum Glück heute morgen wieder gesund, so dass ich dann vor den Kongress gehen konnte, wo eine grosse Menschenmenge die Ankunft der Gäste (u.a. Chavez) verfolgte. In dem Getümmel wurde mir dann mein Portemonnaie mit deutschem und chilenischem Personalausweis und Führerschein, aber immerhin ohne meinen Reisepass und mit Bargeld im Wert von nur 20 bis 30 Euro geklaut. Nachdem ich den Diebstahl dann angezeigt hatte, kamen wir noch rechtzeitig zur grossen Feier, wo ich eine Reihe wunderbarer Fotos machte, die dann leider beim Diebstahl meiner Kamera abhanden kamen, als Teile der Absperrungen geöffnet wurden, die Menschen Richtung Bühne strömten und fast über am Boden liegende Gitte stolperten. Eine ganz gute Pechsträhne also, aber wenn wir dafür jeden Tag solche Siege feiern könnten, würde ich das auch gerne ständig ertragen...
Der jetzt in Bolivien begonnen - oder besser: in eine neue Phase gegangene - Prozess ist sicherlich unsere Aufmerksamkeit und gegebenenfalls auch Solidarität wert - hasta la victoria siempre !
Evo betonte in seinen Reden gestern und heute, dass mit dem Wahlsieg des MAS am 18. Dezember 513 Jahre des Widerstandes gegen die Ausgrenzung und Marginalisierung der Indigenas beendet würden und mit der Neugründung Boliviens ein neuer Prozess beginne. Konkret soll noch in diesem Jahr eine verfassungsgebende Versammlung gewählt werden, die alle sozialen Sektoren einbinden soll. Gerade gegenüber den bolivianischen Unternehmern zeigte sich Evo auch heute sehr einladend, gestand ihnen ihr Recht auf Eigentum und Produktion zu, verlangte Investitionen und die Schaffung von sicheren und gut bezahlten Arbeitsplätzen. Wahrscheinlich hat er bisher aus taktischen Gründen nichts konkreteres über das zentrale ökonomische Projekt der Regierung, die Verstaatlichung der öl- und Gasvorkommen, erklärt.
Es ist aber damit zu rechnen, dass die starken und durchaus autonomen sozialen Bewegungen seine Regierung in dieser Frage beobachten und gegebenenfalls unter Druck setzen werden - worum er sie in seinen Reden ausdrücklich bat. Zusammen mit der Erstellung einer neuen Verfassung gibt das meines Erachtens durchaus Anlass zur Hoffnung, dass sich in Bolivien ein Prozess der tiefgreifenden Veränderung der sozialen Verhältnisse in Gang gesetzt hat.
Auf internationaler Ebene hat Evo Morales jedenfalls mit seiner deutlichen Solidarität mit Cuba und Venezuela Zeichen gesetzt. Wie bei der lateinamerikanischen Linken durchaus ûblich, waren seine und andere Reden von einem Vaterlands- und Patriotismusdiskurs geprägt, den in Deutschland nicht einmal der rechte Flügel der CSU öffentlich äussern würde. Angesichts der historischen Entwicklung sicherlich verständlich, aber in dieser Frage halte ich es dann doch lieber mit Marx: "der Proletarier kennt kein Vaterland".
Evo bat während seiner Rede eine Indigena-Vertreterin aus Ecuador ans Mikrofon, da ansonsten nur Männer gesprochen hätten. Sicher noch nicht die Lösung, aber immerhin ein Problembewusstsein in Sachen Patriarchat.
Auch der lateinamerikanische Schriftsteller Eduardo Galdeano hielt eine Rede, in der er erklärte, der Hauptfeind der progressiven Bewegungen sei die Anst zu leben, zu sein und zu kämpfen und die Herrschaft dieser Angst sei jetzt in Bolivien beendet.
Persönlich konnte ich diesen historischen Moment nicht ganz so geniessen, wie ich mir das gewünscht hätte - gestern abend lag ich mit Fieber und Übelkeit im Bett, war aber zum Glück heute morgen wieder gesund, so dass ich dann vor den Kongress gehen konnte, wo eine grosse Menschenmenge die Ankunft der Gäste (u.a. Chavez) verfolgte. In dem Getümmel wurde mir dann mein Portemonnaie mit deutschem und chilenischem Personalausweis und Führerschein, aber immerhin ohne meinen Reisepass und mit Bargeld im Wert von nur 20 bis 30 Euro geklaut. Nachdem ich den Diebstahl dann angezeigt hatte, kamen wir noch rechtzeitig zur grossen Feier, wo ich eine Reihe wunderbarer Fotos machte, die dann leider beim Diebstahl meiner Kamera abhanden kamen, als Teile der Absperrungen geöffnet wurden, die Menschen Richtung Bühne strömten und fast über am Boden liegende Gitte stolperten. Eine ganz gute Pechsträhne also, aber wenn wir dafür jeden Tag solche Siege feiern könnten, würde ich das auch gerne ständig ertragen...
Der jetzt in Bolivien begonnen - oder besser: in eine neue Phase gegangene - Prozess ist sicherlich unsere Aufmerksamkeit und gegebenenfalls auch Solidarität wert - hasta la victoria siempre !
felixpithan - 22. Jan, 21:12